Josef Ackermanns Zielvorgabe an die Deutsche Bank AG, 25% Eigenkapitalrendite erzielen zu müssen, ist schon eine Erläuterung wert. Ich ziele nicht auf die internationale Konkurrenzfähigkeit seines Arbeitgebers; sondern es geht mir vielmehr um den gesamtwirtschaftlichen Aspekt seiner alten Aussage...
Einfluß von allgemein hohen Eigenkapitalrenditen auf die Volkswirtschaft
... Also, ich fragte einen mir persönlich bekannten Unternehmensberater ( BWL-ler), ich hätte so einen saublöden Gedankengang, der will mir einfach nicht aus dem Kopf. Ob er mir denn helfen könne, diesen zu widerlegen?
Der Kern des Gedankenganges ist folgender: Wir tun so, als ob Deutschland eine geschlossene Volkswirtschaft wäre +/- . Dann ziehen wir noch Inflationsrate und Wirtschaftswachstum ab +/- . 5% kommen zur Zeit grob gerechnet ungefähr hin für das, was als Korrektur abzuziehen ist: Pi mal Daumen reduzieren wir die Ackermannschen 25% Eigenkapitalrendite auf ca. 20%. Ziehen wir ein paar Prozentpunkte Steuern ab, dann bleibt immer noch ein richtig großer Batzen übrig.
Also, was hat es mit diesem Batzen jetzt genau auf sich? Da wir in einer geschlossenen Volkswirtschaft sind, muß dieser Gewinn ja nicht nur irgendwo her kommen. Da wir diese Größe bereinigt haben +/- , bewegen wir uns jetzt auf der Nullsummenebene! Das heißt für jedermann, dass dieser Zufluß irgendwohin im gleichen Umfange in einer Art Einbahnstraße abfließt, und dass Vermögenswerte genauso einbahnstraßenmäßig den Eigentümer wechseln und sich mit der Zeit bei wenigen Kapitalsammelstellen (sogenannte Superreiche) anhäufen. Mit anderen Worten: Wo ein Schuldner, da ist bekanntlich auch ein Gläubiger. Wenn sich auf der einen Seite Guthaben (und Vermögen) anhäuft, vergrößert sich auf der anderen Seite der Schuldenberg. Es ist alles nur eine Frage der Zeit: Die untere Schicht fällt als Nachfrager aus; aber nur Luxusjachten, die finden weiterhin sichere Abnehmer.
So weit so gut, das sollte mir der Unternehmensberater bis hierher widerlegen. Er hatte es aber leider nicht geschafft. Haben Sie eine Entgegnung?
Weiter im Text: Frei nach Karl Marx kommt es zur Kapitalakkumulation - besser: Kapitalverschiebung. Die Eigentümerstrukturen sind in unserer Volkswirtschafts so, dass der allergrößte Anteil des Produktivvermögens Eigentum eines kleinen Bevölkerungssegments ist. Nennen wir dieses Segment doch einfach Oberschicht Herrschende Kaste. Diese Bevölkerungsgruppe zeichnet sich dadurch aus, daß sie den Batzen nur zum geringen Teil wieder ausgibt. Der Kapitalkonzentrationsprozess bedingt in unserer Volkswirtschaft zwangsläufig eine Auszehrung und Verarmung auch der Schichten mit geringem Produktivvermögen. Anders ausgedrückt haben wir gar kein (Friedmanisches) volkswirtschaftliches Gleichgewicht, sondern vielmehr einen Geldkreislauf, der auf einer Seite immer mehr verklumpt! Und die fehlende Massennachfrage wird nicht ersetzt. Für ein kleineres Unternehmen mag eine zwischenzeitlich hohe Eigenkapitalrendite angehen, ist aber die Volkswirtschaft dauerhaft als Ganzes von hohen Eigenkapitalrenditen betroffen, dann "gute Nacht". Volkswirtschaftlich bedeutet dies eine langfristige Tendenz zur Depression.
Zur aktuellen Finanzkrise
Apropos Finanzkrise, zur Zeit meint man, nur ein Liquiditätsproblem lösen zu müssen. Das ist insoweit richtig, schließlich ist die Finanzkrise - oberflächlich betrachtet - im wesentlichen eine Bankenkrise. Ist das Vertrauen (zwischen den Banken) erst wieder hergestellt, fließe das Geld wieder richtig. Bloß, wenn wir einen konjunkturellen Abschwung haben, dann müssen die Banken trotzdem vorsichtig sein. Man will sich ja keine (neuen) faulen Eier ins eigene Nest legen. Mit dem Vertrauen und der Kreditvergabe ist das dann doch so eine Sache...
Wie das mit dem Vertrauen auch sein mag, diese Diskussion geht meiner Ansicht nach am Kern vorbei. Man muß davon ausgehen, dass die Finanzkrise nur ein Element der tatsächlichen realwirtschaftlichen Krise ist. Die Finanzkrise ist sozusagen die erste Welle des Tsunamis. Sie hat einen beschleunigenden Effekt, obschon die aktuellen staatlichen Eingriffe eine entschleunigende Wirkung haben oder haben werden könnten. Für reißerische Journalisten geben akute Krisensymptome viel mehr her als ein vergleichsweise langsames, stetiges Dahinsiechen der Volkswirtschaft . An die Arbeitslosigkeit hat man sich gewöhnt und über getürkte amtliche Arbeitslosigkeitsstatistiken regt sich kein Journalist auf. Nicht nur die Journaile ist ignorant; die Grundtendenz der Krise beeinflußt der Gesetzgeber im Augenblick überhaupt nicht. Im Gegenteil, wenn man sich Hartz-IV (Inflationsausgleich?) und die Mindestlohndebatte (des allgemeinen Mindestlohnes) anschaut, dann wirkt der Gesetzgeber insgesamt krisenverschärfend. Die aktuellen Rettungsvorhaben dienen allein dazu, die Liquidität und die Eigenkapitalunterfütterung der Banken zu sichern oder vielmehr wiederherzustellen. Aber das wird garantiert nicht ausreichen.
Näher am Kern des Problems ist zum Beispiel Prof. Dr. Heiner Flassbeck. Er fordert ein keynesianisches Konjunkturprogramm zur Vermeidung einer einschneidenden tiefergehenden Rezession. Und er sprach in einer HR2-Der-Tag-Radiosendung die Umverteilungsproblematik direkt an. Gleichermaßen sprach Otmar Schreiner das Kernproblem der Umverteilungsproblematik an, diesmal im ARD in der Anne-Will-Sendung vom 19. Oktober - leider nur ganz kurz. Es ist die Einkommensentwicklung der letzten Jahrzehnte von Löhnen und Gehältern. Die Massenkaufkraft litt. Wenn man sich eine Wippe vorstellt, war die zugehörige Einkommensentwicklung immer unten und die Entwicklung der Gewinne immer oben. Und genau das, so der Wirtschaftshistoriker Prof. James Livingston, sei der Hauptgrund der Großen Depression in den 30er Jahren in den USA gewesen. Er schrieb zwei sehr aufschlussreiche Artikel zu diesem Thema in seinem Weblog [Nachtrag 2010-02-11, 14:55 Uhr: Die beiden Texte sind auf einer anderen Seite nachzulesen, zu der ich neu verlinkt habe. Das Weblog von James Livingston wurde zwischenzeit gelöscht] :
- Their Great Depression and Ours, Part I
- Their Great Depression and Ours, Part II
Prof. Livingston hat es auf den Punkt gebracht. Dass sich soviel Kaufkraft-entzogene Liquidität (sehr große Profitrate!) gebildet hatte, bleibt doch als Ursache bestehen, auch in Deutschland. Die aktuelle Politik unserer derzeitigen Bundesregierung verstärkt die Fehlentwicklung:
- Der abgesenkte EkSt-Spitzensteuersatz
- Die reduzierte Gewinnbesteuerung
- Die Abgeltungssteuer
- Die Erbschaftsteuerreform
Allesamt sind sie Profitpromotoren - das heißt, der Neolib-Sperrmüll ist und bleibt das krisenauslösende Moment.
Wir sind Exportweltmeister, von den hohen Profiten müßte doch zwischenzeitlich etwas in dem unteren Einkommenssegment angekommen sein. Oder sind die Arbeitnehmer etwa reingelegt worden? Statt dessen hat sich ein änderbarer Zustand der Unterbeschäftigung eingestellt. Unterbeschäftigung abzuschaffen kann nicht Ziel der Herrschenden Kaste sein, denn so kann man bequem die Arbeitnehmer einschüchtern und die Gewerkschaften klein halten. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass nach Livingston der Hauptgrund der Großen Depression die ständig steigenden Profite waren, die auf Kosten der Löhne und Gehälter gingen.
Die Krise der Realwirtschaft ist eine Dauerkrise und wird sich verschärfen, wenn man weiterhin wie Guido Westerwelle (FDP) das Problem leugnet. Was nutzen etwa Steuersenkungen bei Menschen, die keine Steuern zahlen? Kann das bitte jemand Herrn Westerwelle näher erläutern? Solange der Mainstream neoliberal bleibt, werden wir auf immer stärker werdende soziale Konflikte zusteuern. Und die Finanzkrise wird in eine Dauerkrise des Kapitalismus einmünden. Es ist selten dämlich, volkswirtschaftliche Probleme betriebswirtschaftlich lösen zu wollen! Schlimm sind dann solche hohlen Sprüche wie "soziale Gerechtigkeit statt Verteilungsgerechtigkeit" von interessierter Seite (der Frankfurter Zukunfsrat hat seine Unterseite http://www.frankfurter-zukunftsrat.de/Anspruch inzwischen gelöscht, Stand 2017-04-20, ziemlich peinlich.) Herrschenden Kaste dienen können. Bloß weil man als kleine Interessensgruppe über sehr große finanzielle Ressourcen verfügt, heißt das noch lange nicht, dass man mit seiner Ideologie im Recht ist. Da hilft auch die größte Geheimbündelei nichts!
Abgesang auf den Neoliberalimus
Gerät ein Organ eines Organismus aus den Fugen, wird mit der Zeit der Organismus immer kränker. Und das Virus, das mindestens ein Organ des Organimus Deutschland befallen hat, das ist die
Wirtschaftsideologie des Neoliberalismus. Diese Ideologie führte zu den Gesetzen, die einer neuen Großen Depression den Weg bereiten. Ich kann sagen, dass, je länger die herrschende Kaste - von Elite zu sprechen, verbietet sich hier selbstredend - ihrer
Rechtfertigungsideologie frönt, desto wahrscheinlicher wird es zu einer
Großen Depression kommen wie in den USA der Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Es liegt an Ihnen, zu einem Bewußtseinswechsel beizutragen, zum Beispiel durch aktiven Protest bei der nächsten
Bundestagwahl 2009. Allein schaffen es die Herrschaften nämlich nicht, sich von Ihrer Ideologie zu lösen!
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