Samstag, 16. August 2014

Vortrag von Inge Hannemann am 17. September 2014 in Frankfurt am Main (Bitte vormerken)

Inge Hannemann vor dem Job-
center Hamburg-Altona (Foto
von Inge Hannemann zur
Verfügung gestellt, April 2013)
Inge Hannemann wird am 17. September 2014 in Frankfurt am Main einen Vortrag halten. Veranstalter ist der Kreisverband Frankfurt am Main der Partei DIE LINKE. Sie wird in der Veranstaltung zur aktuellen Politik der großen schwarz-roten Koalition in Berlin Stellung beziehen sowie über ihre Erfahrungen im Jobcenter in Hamburg-Altona und über Erkenntnisse aus ihrer dortigen Arbeit erzählen. Es wird breiten Raum zur Diskussion geben. Die Veranstaltung wird mit folgender Überschrift beworben (Flugblatt-Link):

Vortrag und Diskussion mit Inge Hannemann
zur Arbeitsmarktpolitik und Sozialpolitik der Großen Koalition - Große Koalition in Berlin: Was Beschäftigte und Erwerbslose erwartet.

Veranstaltungsdaten:
. Mittwoch, 17. September 2014, 18:30 Uhr
. Bürgerhaus Bornheim in Frankfurt am Main, Clubraum 1

Bürgerhaus Bornheim: 60385 Frankfurt am Main,  Arnsburger Str. 24 (Saalbau GmbH)

Zur Referentin: Inge Hanne­mann, eine engagierte Jobcenter-Mitarbeiterin, arbeitete in der Job­center-­Niederlassung in Hamburg-Altona; dort zuletzt als persönliche Ansprechpartnerin für Arbeitslosen­geld-2-Bezieher (kurz: ALG 2, gemeinhin als Hartz 4 bezeichnet), die als sehr schwer vermit­tel­bar galten. Sie war – behördenintern zahlenmäßig nachweisbar - sehr erfolgreich in ihrer In­tegra­tionsarbeit, bei dem Sie den Schwerpunkt auf Sozialarbeit, auf die soziale Integration gelegt hatte - statt auf Re­pres­sion!

Inge Hannemann wurde am 22. April 2013 beim Jobcenter team.arbeit.hamburg, dem Hamburger Jobcenter*, formal freigestellt und bekam ein Hausverbot für alle dortigen Jobcenter. Zur Inges Kla­ge auf Weiter­beschäftigung bzw. Nicht-Versetzung in eine andere Behörde: Eine einst­weilige Anordnung konnte nicht durchgesetzt wer­den, auch nicht gegen die Zuweisung zu einer anderen Arbeitsstelle bei der Stadt Hamburg.

Unzufrieden war man mit ihr wegen ihrer internen und grundsätzlichen Kritik, die sich insbesondere an die Bun­des­agentur für Arbeit richtet. Aufgrund dieser fundierten und öf­fent­lichkeitswirksamen Kritik, dem Ge­baren seitens der Jobcenterleitung und der Solidarität von Er­werbsloseninitiativen/Ein­zel­personen gelangte Inge Hannemann zu einer gewissen Be­rühmt­heit, die man durchaus als traurig be­zeichnen kann.

Natürlich lauten die Vorwürfe, die zur Freistellung führten, anders: Inges rechtskonforme Einstellung zum SGB II wird bezweifelt. Weiterhin wird ihr vorgehalten, dass sie die einschlägigen Vorschriften der §§ 31 ff. SGB II nicht ord­nungsgemäß anwenden würde. Wenn Kollegen als Vertretungen ein­sprin­gen, wür­den sie mit Frau Hannemanns Kunden in eskalierende Gespräche verwickelt (ange­schrien). Die Kollegen müssten hiervor geschützt werden. Diese verdrehte Argumentation wird heran­zogen, um Frau Hanne­manns Entlassung Freistellung bzw. angedachter Strafversetzung in eine ande­re hamburger Behörde zu rechtfertigen.

Die Vorwürfe sind Ausdruck des Jobcenter-Repressionsregimes. Anscheinend will man an Inge ein Exempel statuieren, um mögliche andere interne Jobcenter-Kritiker abzuschrecken. Interne Kri­tiker, die auf ihr Recht auf freie Meinungsäußerung pochen, sind das Letz­te, was die Bundesagentur für Arbeit gebrauchen kann. Wer wird als Bundesagentur-Geschäftsführer gern zugeben, dass vom gesetzlichen Auftrag nur das „Fordern“ angewandt wird. Der gesetzliche Auftrag des Förderns fällt faktisch unter den Tisch – von wegen Fördern und Fordern.

Repression richtet sich nicht nur gegen Leistungsbezieher, sondern auch gegen Jobcenter-Mit­ar­beiter. Wer aufmuckt, fliegt - Wie heißt es so schön in vielen Jobcentern: „Wem es nicht passt, der kann ja gehen.“

Grundsätzlich, auch in ihrer bisherigen beruflichen Praxis, ist Inge Hannemann strikt gegen Sank­tionen. Sie veröffentlichte eine Stu­dien­arbeit als Buch mit dem Titel: „Negative psychische Auswir­kun­gen durch den Bezug von Hartz IV“. Unter­halb des Existenz­mini­mums zu sanktionieren, ist sehr schädlich. Wir meinen, wer kann sich dann noch Bewerbungen und die Fahrt­kosten für Bewerbungs­gespräche leisten? Verängstigte Men­schen, die sich nicht in die Jobcenter trauen, zu sanktionieren – Was soll das bewirken? Übrigens, die Bun­destagsfraktion der Partei Die Linke. ist ebenso gegen Sanktionen...

Die allmonatlich neu herausgegebene offizielle Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Ar­beit ist regelmäßig geschönt: Viele Arbeitslose tragen den Status „ar­beits­suchend“ und fallen aus der Statistik raus. Wer zu alt ist, gilt nur noch als „arbeitssuchend“. Zwangsfrühverrentungen, die die Renten­kassen be­lasten, sind rechtens. Nicht nur bei der Arbeitslosenzahl wird gelogen. Firmen wer­ben mit Stel­len­anzeigen, die nicht existieren. Solches Verhalten wird durch den Konkurrenzdruck unter den Leiharbeitsfirmen gefördert. Der freie Zugriff bei der Bundesagentur auf deren Stellen­ange­bots­datenbank durch zahlreiche Fir­men begünstigt eben den Mißbrauch. Bewerber erfahren im Vorstellungsgespräch zu häu­fig, dass die Stelle auf die sie sich beworben haben, nicht existiert.

Setzt man die offiziellen Zahlen der Arbeitslosenstatistik ins Verhältnis, dann kommen grob gerech­net rund zehn Be­werber auf eine freie Stelle – durchschnittlich, nach Regionen schwankend. Aber das sind nur die geschönten Zah­len, die Reali­tät ist um einiges schlimmer. Findet eine/r einen Job, gehen weit mehr als neun Bewerber/innen leer aus – ohne Chance auf Anstellung. Das sagt die Statistik. Warum hier sanktio­nieren? Bloß um Geld ein­zu­sparen, das ist verfassungswidrig. Neben Frau Hannemann sehen auch Juristen das Sank­tionieren unter das Exis­tenzminimum generell als verfassungswidrig an.

Sanktionen haben real den Hauptzweck einzuschüchtern. Nicht nur die Lei­stungsbezieher und die Jobcenter-Mitarbeiter sind hiervon betroffen. Die Angstkeule richtet sich auch gegen die Jobbesitzer. Die Angst vor dem Jobverlust macht gefügig. Die Massenarbeitslosig­keit ist letztlich po­litisch gewollt – entgegen mannigfaltiger Beteuerungen bei SPD, CDU/CSU, den Grünen oder der FDP. Warum ist sonst die Massenarbeitslosigkeit kein Thema bei den etablierten Par­teien? Die Angst­keule wirkt sich insbesondere auf die Gewerkschaften fatal aus. Wer wegen des drohen­den Arbeitsplatz­verlustes Angst hat, hat auch Angst – so die Tendenz – davor, sich gewerkschaftlich zu enga­gieren bzw. gewerkschaftliche Forderungen zu unterstützen. Es lohnt sich für die Gewerk­schaf­ten, sich solidarisch mit den Erwerbslosen zu zeigen.

Zurück zum „Arbeitsmarkt“, hier ein Zitat zum sogenannten »Fachkräftemangel« (Quelle: elo-forum.org):
Doctor in Biochemie, 36 Jahre alt , zuletzt auch wieder in Forschungs­pro­jek­ten an wissenschaft­lichen Instituten gearbeitet, soll jetzt - eben erst arbeitssuchend geworden weil das Projekt ausge­laufen ist - als Laborhilfe arbeiten. Hatte auch bereits "Angebote" der AfA als Gärtner und Teilzeit­hausmeister. weiterhin: Ebenfalls promovierter Physiker, 42 Jahre alt, krank­heits­bedingt gekündigt worden, inzwischen wieder gut drauf gesundheitlich, seit 1,5 Jahren im ALG II, erhält Angebote als Hilfs-Mechaniker, Lagerarbeiter, LKW-Fahrer (ohne diesen Führer­schein), … Hätte da noch 2 wei­tere solcher Fälle in meinem Umkreis, aber ich denke das zeigt bereits was hier abgeht im Lande. Fachkräftemangel eben ...

SGB-2-Rechtsvereinfachungen: Unter diesem Schlagwort war in den letzten Jahren eine Bund-Län­der-Arbeitsgrupe tätig und lieferte einen Bericht – ohne auch nur eine einzige Erwerbs­losenvertre­tung gehört zu haben - ab, der in ein Gesetzgebungs­verfahren einmünden sollte. Ins­gesamt hält der Bericht auch Gesetzesvorschläge, die nicht nur die Be­hörden, sondern auch die Leistungs­be­zie­her begünstigen. Leider war im Vorfeld das Bundesarbeitsministerium unter der SPD-Arbeitsministerin Angela Nahles nicht dazu bereit, ent­spre­chen­de Unterlagen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen: Hieraufhin hat Harald Thomé das Bun­des­arbeits­ministe­rium auf Informationsherausgabe in Bezug auf den Stand der Gesetzesvorberei­tun­gen ver­klagt. Trotz der ministriellen Verweigerungspraxis gelangte der (vorläufige ?) Abschlußbericht inzwischen dennoch in die Öffentlichkeit. Wir können folgendes, wenn auch nur vorläufiges Fazit ziehen:

Die Verschlechterungen stießen auf breiten öffentlichen Widerstand, so dass sich die schwarz-rote Bundesregierung veranlaßt sah, für das Erste Abstand von den Verschlimmbesserungen zu nehmen. Katja Kip­ping, Parteivorsitzende der Partei DIE LINKE. meinte: »Erwerbs­losen­aktivist­Innen und die DIE LINKE haben besonders skandalöse Vor­schläg­e der Bund-Länder-Arbeitsgruppe veröffentlicht und politischen Druck erzeugt. Auch dies hat dazu beigetragen, dass die Bundes­regie­rung sich nun offensichtlich von einigen Vorschlägen distanziert. ...« Es bleibt abzuwarten, ob möglicherweise einige drastische Verschärfungen/Verschlechterungen nächstes Jahr dennoch den Weg in die Gesetzesgebung finden werden.

Die aktuelle Kritik von Inge Hannemann an der hamburger Jobcenter-Leitung richtet sich gegen sogenannte Null-Euro-Jobs in Hamburg. Gern verweise ich hier auf Ihr Weblog, wo sie klar Position bezogen hat. Auf der Webseite der Tageszeitung junge Welt können Sie einen Bericht zum Thema lesen.

Mein persönliches Resumeé zur Drangsalierung Inge Hannemanns durch die Behörde ist, dass es wichtig ist, gegen den undemokratischen Maulkorbversuch in Form von Freistellung und Strafversetzung zu protestieren, aber dies nicht ausreicht. Sehr wichtig ist für mich, dass die Verantwortlichen angegangen werden. Sie sollten merken, dass auch sie für ihr ungebührliches undemokratisches Handeln die Verantwortung zu tragen haben und ihr Handeln nicht ohne Konsequenzen sein darf. Das ist, was fehlt: Inge Hannemann raus aus der "Schußlinie", Olaf Scholz als SPD-Oberbürgermeister von Hamburg und die bekannten Spitzen der Bundesagentur rein in die "Schußlinie". Die vorgenannten sind die politisch verantwortlichen Spitzen der gemeinsamen Einrichtung Jobcenter team.arbeit.hamburg*.

Zu Inges Arbeitsgerichtsprozess möchte ich folgendes anmerken: Wenn politische Auseinandersetzungen juristisch ausgetragen werden, haben nur die Lohnarbeiter (auch Arbeitnehmer genannt) ein ernsthaftes Risiko zu tragen. Denn ein drohender Jobverlust läßt sich in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit nicht mit Abfindungungsprämien ausgleichen. Die Zahlungen von Abfindungsprämien, falls diese überhaupt gezahlt werden müssen, lassen sich von Behörden- oder Unternehmerseite allermeist gut verschmerzen - Für die Lohnarbeiter aber kann dies der dauerhafte Absturz in Hartz IV zur Folge haben.

Auf öffentlichem Druck hin ist Inge der Entlassung entgangen. Doch die bevorstehende Strafversetzung kann von dem Arbeitsgericht per Urteil gut geheißen werden (Hauptverhandlung Oktober 2014?). Auf die Justiz ist definitiv kein Verlaß: Inge Hannemann muß politisch noch stärker unterstützt werden! Das richtet sich an die Partei DIE LINKE., die Piratenpartei (soweit interessiert), die  Erwerbloseninitiativen (soweit sie diesen Namen zurecht tragen) und natürlich an uns, soweit wir nicht einer der beiden vorgenannten Gruppen sowieso schon angehören. Der Kampf für Inge ist ein Kampf für unsere eigenen Grundrechte!

* Seit 1. Januar 2011 als gemeinsame Einrichtung (gE) der Freien und Hansestadt Hamburg und der Agentur für Arbeit Hamburg zuständige Behörde für die Grundsicherung gemäß Sozialgesetzbuch II.

2 Kommentare:

  1. Hoffe, das viele Bürger für Ihre Grundrechte eintreten - Vielen Dank für diesen grossartigen Bericht - werde im Oktober zur Hauptverhandlung fahren Mfg

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  2. Es wird nur funktionieren wenn ehrliche Arbeit nicht von Menschen, die meinen sie haben das alleinige Recht auf diese Arbeit, sabotiert und verleumdet wird
    .

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