Donnerstag, 23. April 2009

TAZ-Artikel "Unternehmen kaufen Blogger" mangelhaft

Folgendes stand heute in taz-online (Quelle):

"Statt der Weitergabe von unabhängigen Erfahrungsberichten und Qualitätsbeurteilungen häuften sich Manipulationen, die Blogger als einzelne und auch in der Gruppe betreiben, weiß der Informationswissenschaftler Matthias Fank von der Fachhochschule Köln. Im Auftrag von Infospeed führte er im Jahr 2007 eine bislang unveröffentlichte Studie zu Betreibern von Internetforen und Blogs durch. Die Untersuchung ergab, dass 50 Prozent der untersuchten, augenscheinlich unabhängigen Blogs zu Marketingzwecken erstellt wurden - es handelt sich also um Internetseiten von Unternehmen oder Privatpersonen, die versuchen, den Absatz ihrer Produkte zu fördern.

Allerdings gibt es nicht nur scheinbar unabhängige Blogs und Foren, die gar nicht unabhängig sind. Es gibt auch bei Blogs und Foren Nutzer, die sich als unabhängig ausgeben, es aber nicht sind. "Ich werde dafür bezahlt, in mehreren privaten Netzwerken positive Kommentare über die Produkte einer Softwarefirma zu schreiben, die Unterhaltungsprogramme entwickelt", sagt ein Informatikstudent, der anonym bleiben will, der taz. Für zwei Nachmittagsschichten pro Woche erhält er 500 Euro im Monat. "Sicher habe ich gewisse Leute eindeutig in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst."
"
An dem Text gibt es inhaltlich fast nichts zu deuteln. Sehr blöd ist nur die Überschrift. Sie suggeriert, dass Blogger käuflich sind. Das ist aus meiner Sicht eine typische weiße Lüge und gibt einen banalen Sachverhalt überzogen wieder. Gut, dass wenigstens im Text erwähnt wurde, dass viele Foren der Absatzförderung bestimmter Produkte dienen. Dass Manipulation und Käuflichkeit in vielen Medien problematisch sind, ist auch klar. Der Hinweis auf das Wikipedia-Problem ist positiv zu werten.

Man könnte aber diesen Artikel sehr gut als eine Art Ablenkungsmanöver (Unterschlagung von Sachverhalten, deshalb weiße Lüge) anschauen. Sehr problematisch ist die nichterwähnte große wirtschaftspolitische Einseitigkeit vorherrschender Massenmedien. Diese wird nur von besonders gebildeten Menschen erkannt. Die marktliberale Einseitigkeit der Printmedien stinkt zum Beispiel zum Himmel. Gleiches gilt zu 95% für die anderen Massenmedien. Kurz und knapp: Der Artikel bringt nichts wirklich neues, läßt aber zuviel weg. Er deckt auch keinen konkreten Skandal auf. Er bewegt sich teilweise auf billigstem Bildzeitungsniveau. Was interessiert mich, was ein Student als Ghostwriter fragwürdigen Inhalts verdient? Man hätte aber die Strafbarkeit für Falschdeklaration von Inhalten - sprich die Nichtdeklaration von Werbung - einfordern können und müssen. Das fehlt.

Aber gut, dass wir darüber geschrieben haben, Herr oder Frau Malalai Bindemann. Wie wäre es, wenn Sie einen kritischen Artikel über den Nofollow-Unfug schrieben? Das wäre doch echte investigative Arbeit! Oder interviewen Sie doch mal Frau Elisabeth Rieping, die eine echtes Brustkrebs-Selbsthilfeforum (= -gruppe) im Internet gegründet hatte. Sie könnten einen Skandal aufzudecken mithelfen. Und Bayern wäre Horst Seehofer los. Frau Riepings Erfahrungen in zwielichtigen Pseudoforen können Sie übrigens hier nachlesen - Ende der Ansprache.

Lesertipp am Rande: Kennen Sie jemanden mit Brustkrebs? Empfehlen Sie bitte Frau Riepings Webseite. Sie könnten ein Leben retten!

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