Nachdem ich mich der Selektion ausgesuchter Nachrichten zur Darstellung/Erzeugung eines Stimmungsbildes und der zurechtgeschnittenen und entsprechend kommentierten Berichterstattung als Möglichkeiten der Manipulation gewidmet hatte, war es an der Zeit etwas zum Thema gelenkte Fernsehdiskussion zu schreiben:
Ein besonders abschreckendes Beispiel war meines Erachtens eine "Diskussionssendung" im Hessen-Drei-Fernsehen. Die Sendung, um die es ging, hatte den Namen Bürgerforum - "Jetzt reden wir", ausgestrahlt am 15. September, 22:15 Uhr. Wenn Sie auf die eben genannte Webseite gehen, werden Sie eine sehr übersichtliche Seite vorfinden. Dort kann (konnte?) man, wenn man es weiß, per Internetformular fragen einreichen. Und die Videos, wie schön professonell die gemacht wurden.
Ja, professionell waren die Videos. Otto Normalverbraucher wird wohl kaum in der Lage sein, solche hochwertigen Videos mit seiner eigenen Videokamera selber anzufertigen. Soweit ich mich recht erinnern kann, wurden alle Videos durch HR-Mitarbeiter aufgezeichnet. "Schlechte" Videos fallen unter den Tisch. Die Fragen sind vorselektiert, die Studiobesucher (eingeladene (!!!) Gäste) ebenso. Hier bleibt viel Platz für gelenkte Fragestellungen. Während des Aufzeichnens der Sendung waren spontane Fragen des weniger bekannten Publikums nicht möglich.
Zwei vorgefasste Fragen, die während der Sendung gestellt wurden, hatte ich mir während der Sendung besonders markiert. Die eine war an Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich (FDP, nicht nur die CSU hat Adlige) gerichtet. Es war die kurze Frage, ob Herr Solms für die Praxisgebühr sei. Klar war und ist Her Solms für deren Abschaffung. Herr Wolfgang Gehrcke von den Linken übrigens auch. Aber aus einem anderen Grund! Die FDP hingegen als Großspenden-Adressat der Finanzindustrie ist übrigens auch deren Lobbyist (Telepolis: Versicherungsvertreter im Deutschen Bundestag), sonst würde man nicht solch hohen Spenden/Schecks erhalten. Was Herr Gehrcke aber leider nicht antworten konnte, weil er nicht gefragt wurde, war der Hinweis, dass es ein natürliches Interesse der Finanzindustrie gibt, die gesetzlichen Versicherungen zu schwächen. Da passt der Verzicht auf Praxisgebühren gut ins FDP-Konzept, nicht wahr? Denen geht es schon um die Versicherten, aber anders als Sie denken. So einfach is die Welt nicht, liebe Leser. Wenn dieses Frage-/Antwortspiel nicht getürkt war, was dann?
Herr Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich konnte so im Lichte der überstarken und mehr als taghellen Beleuchtung leicht Punkte machen. Herr Gehrcke hingegen wurde statt dessen mit Afghanistan konfrontiert. Natürlich mit der Frage, wenn die Bundeswehr sofort abziehen würde, was aus Afghanistan werden würde. Das ist eine Frage, die man im Kern nur defensiv beantworten kann. Fehler kann man als Antwortgeber machen, aber kaum Punkte wie die Frage im letzten Absatz, die Herr Gehrcke - wie Sie jetzt wissen - nicht gefragt wurde. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Krieges wurde aber nicht erörtert. Das hätte schwarz-gelb oder rot-grün (historisch betrachtet) Punkte kosten können. Und die Linken sich profilieren lassen, wo käme man denn da hin? Und außerdem viel zu kompliziert. Es standen nur 45 Minuten zur Verfügung.
Auch die am besten durchchoreografierte Fernsehsendung läßt sich nicht zu 100% durchplanen. Der Faktor Zeit, das ewige Problem. Er war wieder das übliche Thema von der Ablauforganisation her. Wie gut, dass man doch nicht so perfekt ist - Worüber schreibe ich hier? Also, ich schreibe über die Frage, die vermutlich die Abschlußfrage hätte werden sollen, aber es dann doch nicht vor die Schlußstatements schaffte: Das war wieder so eine fiese Linken-Frage, die Herr Wolfgang Gehrcke beanworten mußte nach der bereits abgelaufenen Sendung. Die Zuschauer waren meist noch präsent (hauptsächlich CDU-Anhänger, irgendeine vielköpfige Rentnertruppe, "CDU-Landfrauenkrampfverband"?). Die Frage war schließlich eine Kündigungsschutzfrage eines Unternehmers (CDU- oder doch eher FDP-Dunstkreis?) an Wolfgang Gehrcke. Was dieser davon halten würde, wenn man den Kündigungsschutz erheblich reduzieren, abschaffen würde? Das würde es doch den Unternehmern vereinfachen, neue Leute einzustellen. Klar, eine typische Suggestiv-Frage, also eine Falle. Der Fragesteller meinte mit Sicherheit das problemlose Entlassen. Entrechtete Arbeitnehmer, man denke nur an schwangere Frauen. Während Herr Gehrcke kurz und souverän zu der Frage Stellung nahm, begann sich eine Aufbruchstimmung auszubreiten - Nicht nur Herr Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich wollte aufbrechen, auch die Zuschauer verspürten das Bedürfnis zu gehen.
So, das waren meine "Höhepunkte" dieser Fernsehsendung.
Solche Sendungen sind überflüssig. In 45 Minuten mehr als zehn Fragen von fünf Interviewpartnern beantworten zu lassen, geht's noch? Und dann müssen die Moderatoren auch noch ihren Senf dazu abgeben. Und die Videos müssen auch noch abgespult werden. Bei dem derartig aufgezwungenen Stakkato bleibt für eine sachgerechte Antwort keine Zeit, und absolut einfache Antworten sind bei den entsprechenden Sachlagen höchst selten angebracht. Die Welt ist doch viel zu komplex. Wer auf einfache Erklärungsmuster hofft, ist nicht nur ein nicht-intellektueller Narr!
Nichts gegen die Frager. Nur, wer oberflächliche Fragen stellt und nicht weiter bereit ist, Zeit aufzubringen, sich etwas tiefergehend zu informieren, der sollte zuhause bleiben und sich mit den abgeworfenen Brosamen zufrieden geben. Dieser apolitische Einsatz für die eigenen politischen Interessen ist der Widerspruch in sich. Ich ahne doch schon die Standardantwort auf mich zu kommen. "Ich fahre jeden Tag soviele Kilometer", "ich muß mich um meine Kinder kümmern, einfach keine Zeit" oder "ich bin abends immer so kaputt, meine Arbeit ist so anstrengend". Ok, dann eine Gegenfrage: "Wie schaffen es schwerst arbeitende Unternehmer die eigenen Interessen so gut zu vertreten?"Etwa durch Angestellte? Nein. Spüren Sie es, da läuft etwas grundsätzlich schief...
Es ist wahrlich eine meisterliche Kunst, den objektiven Schein aufrechtzuerhalten. Bloß dafür zahlen wir doch keine GEZ, oder? Und verarschen können wir uns selber, das aber kostenlos.
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Donnerstag, 8. Oktober 2009
Begründung für den schwarz-gelben Wahlsieg III - Volksverdummung beim Hessischen Rundfunk? (Forts.)
Stichwörter:
Bundestagswahl 2009,
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