Den Auftakt macht Florian “Fleur” Kortemme, vom Blog Fleurseur in Berlin, die Bilder dazu stammen von Manfred Hulverscheidt (auf dessem YouTube-Kanal Ihr auch ein paar Videos zum Tag finden könnt):
Es geht nicht nur um Finanzen ... (Bild: M. Hulverscheidt, 2011) |
Konkret thematisiert wird Vieles: zuvorderst natürlich die Rückgewinnung des politischen Primats und die schon vor Jahren versprochene Regulierung der Finanzmärkte, wegen der offensichtlichen Verstrickung mit Ersteren aber ebenso Umweltbelange, Friedenspolitik und selbstverständlich auch lokale Konflikte wie der um die unterirdische Kohlendioxidspeicherung in Brandenburg und die Angst vor der Reinstallation des SPD-CDU-Filzes, der vielen Berlinern noch aus den Neunziger Jahren in schlechter Erinnerung ist.
"Die Preussen marschieren" - ganz ohne Knobelbecher. (Bild: M. Hulverscheidt. 2011) |
Nahe des Reichstags dröhnt ohrenbetäubender Lärm herüber. Pfiffe, Rufe, Trommelklänge. Ein junger Mann gibt mithilfe eines elektrischen Megaphons Parolen aus. Die Menge auf der bereits gut besuchten Reichstagswiese antwortet und diskutiert. Der Demonstrationszug marschiert an ihnen vorbei, biegt ab am Kanzleramt, vor dem zwei Männer ein riesiges Plakat in diverse Kameras halten: „Kein Geld für Zocker! Geht arbeiten ihr Penner!“ Die klaren Worte kommen an.
Ein weiterer Schwenk und auch der Zug erreicht die Reichstagswiese. Die Musik verstummt, die Lautsprecher werden der Öffentlichkeit übergeben, die das Angebot, ihren Ärger in Worte zu fassen nur zu gerne annimmt. Schnell wird deutlich – trotz vieler Gemeinsamkeiten überwiegt die Vielfalt der Ansichten. Immer wieder mischen sich unter fundierte Beiträge und hörenswerte Erfahrungsberichte auch Unsinnigkeiten aller Couleur, Menschen die vor Chemtrails warnen, andere, die die Schuldenbremse für die letzte Rettung halten und solche, die den Glauben an die Demokratie als solche längst verloren haben.
Doch die Heterogenität der Bewegung ist kein Mangel, sondern gerade ihre Stärke, das, was sie für eine große Zahl von Menschen überhaupt erst attraktiv macht, ein Tor für jeden, der teilhaben möchte, ohne sich dabei einem bestimmten politischen Lager anschließen zu müssen.
Dass es der Vielfalt wegen immer wieder auch Unstimmigkeiten hinsichtlich der konkreten Zielsetzung gibt, sollte kein Grund sein, sie nicht ernst zu nehmen, schon weil es regelrecht ein Wunder ist, dass hierzulande überhaupt noch Menschen ihre Forderungen auf die Straße tragen. Auch lang anhaltender und teilnehmerstarker Protest ist von Seiten der Politik bisher nur mit einem begegnet worden, mit Ignoranz. Die Politik aber, sofern sie sich tatsächlich noch als demokratisch legitimiert begreift, muss lernen, dem Volk, dem eigentlichen Souverän, ernsthaft zuzuhören und der, wie es scheint, will sich nicht länger an der Nase herumführen lassen, seine eigenen Interessen nicht denen des vermeintlich gewichtigeren Teils hintanstellen, nicht eine geschichtliche Rolle rückwärts aufgezwungen bekommen. Noch hat er den Mut, seinen Ärger kundzutun, sich einzumischen und dabei muss es bleiben, schon weil eine echte Demokratie nicht bloße Bevölkerung, sondern selbstsichere Bürger braucht, um nicht ihre eigene Existenzgrundlage zu verneinen.
Während in der Hauptstadt erwartungsgemäß mit bis zu 10.000 Teilnehmern die größte Versammlung statt fand, war man auch in der deutschen Finanzhauptstadt Frankfurt nicht untätig. Hier kamen 5.000 bis 6.000 Menschen zusammen, um ihren Unmut mit der gegenwärtigen Situation kund zu tun. Dazu ein Bericht von Bernhard Schülke von Bernhards Weblog aus Frankfurt am Main:
Redner unterschiedlichster Provenienz kamen zu Wort. Neben Prof. Bernd Senf trugen Redner verschiedenster Ausrichtung ihren Standpunkt vor – leider bis hin zu den unvermeidbaren Zeitgeistleuten und Verschwörungstheoretikern.
Inhaltlich wurde z. B. eine neue Wirtschaftsordnung gefordert. David Paenson fragte die Zuhörerschaft, wenn man den Platz besetzen könne, warum denn nicht auch Schulen, Betriebe, Banken… ? Hierüber hinaus wurde die Situation der “Arbeitslosen” angesprochen und die Regierungspolitik kritisiert. Das Hunger produzierende Spekulieren auf Nahrungsmittel wurde scharf angegriffen, wie das Bankensystem überhaupt. Es wird verkauft, was man nicht braucht – Callcenter – und es wird produziert, was es in Wirklichkeit nicht gibt – Produkte der Bankenindustrie. Thematisiert wurde auch ein konkretes Frankfurter Unternehmen, welches Mitarbeiter und Kunden fortwährend akkustisch und visuell per Kamera überwachen läßt. Insgesamt waren die angesprochenen Themen sehr vielfältig.
Die deutsche "Wall Street" wird belagert. (Bild: B. Schuelke, 2011) |
In NRW konzentrierte sich der Protest vor allem auf die Rheinmetropolen Köln und Düsseldorf, wo jeweils mindestens 1.000 Menschen an den Veranstaltungen teilnahmen. Aus Düsseldorf berichtet Sabine Becker vom Blog Atari-Frosch:
Zu Occupy:Düsseldorf waren von den Veranstaltern 700 Leute erwartet worden; diese Zahl wurde eindeutig übertroffen: Etwa 1.000 – 1.200 Menschen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen und in allen Altersklassen waren dabei.
Der "Rettungsschirm" - einmal personifiziert. (Bild: S. Becker, 2011) |
Die Mischung war wirklich erstaunlich: Durchschnittsbürger, Punks, Linke, schick gekleidete Damen, alte Leute, teils im Rollstuhl, einzelne Männer in Anzügen und ältere Damen, die kampfeslustig ihre Schilder vor sich hertrugen, daß man glauben könnte, sie hauen es gleich dem nächsten Bankster über den Schädel. ;-)
Unterwegs in eine unsichere Zukunft? (Bild: S. Becker, 2011) |
Danach sollte es noch zur WestLB, also wohl zum Kirchplatz, und schließlich zum Landtag gehen. Diesen Teil habe ich jedoch nicht mehr mitgemacht; um 17:15 Uhr stand man noch am GAP15, die Teilnehmerzahl an diesem Punkt war bereits stark geschrumpft auf schätzungsweise 500 Menschen.
Auch am zweiten Hauptschauplatz in Nordrhein-Westfalen, in Köln, tat sich etwas und von dort hat Fred Garland vom Blog T-I-X nicht nur einen kurzen Bericht, sondern auch ganz viele Fotos mitgebracht, die Ihr bei Interesse alle auf seiner Flickr-Seite betrachten könnt. Jetzt aber Freds Eindrücke vom heutigen Tag (Anm. d. Red.: Freds Text ist wohl noch nicht fertig und wird nachgereicht. Dafür, daß er gesundheitlich sehr angeschlagen ist, ist seine Leistung eh enorm! Die Kölnfotos findet Ihr jedenfalls bereits auf der oben genannten Flickr-Seite.):
Doch nicht nur in den alten Bundesländern wurde demonstriert, sondern auch in den fünf neuen, so zum Beispiel in Thüringen. Aus Erfurt schildert Ralf Weyda von Totschka – Auf den Punkt seine Eindrücke:
Alles fing einmal klein an ... (Bild: R. Weyda, 2011) |
Stets nur schweigen? Das ist wohl nicht richtig. (Bild: R. Weyda, 2011) |
Die Protestaktion verlief absolut friedlich, so dass sich die anwesenden Polizeibeamten angenehm im Hintergrund hielten. Ich sehe diese kleine Veranstaltung in Erfurt als einen Auftakt für das Wachsen einer Protestbewegung aus dem Volk. Es ist wichtig zu wissen, dass auch wir in der so genannten Provinz eine Stimme haben. Diese Bewegung wird wachsen, auch in Erfurt.
Und selbst im politisch eher als konservativ oder gar “rückständig” verschrieenen Süden der Republik, genauer gesagt in Bayern, regte sich erster Widerstand. Dazu aus München Frank Benedikt von binsenbrenner.de:
Das ist die falsche Veranstaltung! (Bild frei) |
Münchner Impressionen anno 2011 (Bild frei) |
Ecco Meineke wider das Bankstertum (Bild frei) |
Dies sind ein paar Impression von BloggerInnen zum 15.10.2011 – sicher habt Ihr selbst auch Eure, aber wir fanden anläßlich dieses globalen Versuchs, etwas zu bewegen, auch unseren Versuch, mal “über Grenzen hinweg” etwas gemeinsam zu machen, ganz interessant. Wie geht es nun weiter? Wird sich die Bewegung wieder in Luft auflösen? Oder haben wir heute erst den Anfang von etwas völlig Neuem erlebt? Das kann keiner von uns (Bloggern) sagen, denn das bestimmt doch nur Ihr mit Eurem Tun oder Lassen. Vielleicht treffen wir uns ja das nächste Mal – bei einer Demo/Aktion, die von “Occupy”, den “Empörten”, “attac” und ähnlichen Gruppen einer kommenden globalen Zivilgesellschaft (mit)getragen wird? Wer weiß …
Für das temporäre “AutorInnenkollektiv”
Frank Benedikt
(Alle Rechte für Bilder und Text bei den AutorInnen. Wer den ganzen Text oder Teile davon und/oder Bilder übernehmen möchte, kann dies unter CC 3.0-BY-NC-ND gerne tun.)
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Heute morgen erstveröffentlicht im Binsenbrenner-Blog.
Danke an Frank für das Zusammentragen und die umfassende Grafikgestaltung. B. S.
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