Donnerstag, 16. Oktober 2014

Jedem das Seine?

von »Toschka«

Bildquelle: Wikimedia Commons - Tor beim
Jourhaus-Gebäude des KZ Dachau
"Die sollen froh sein, dass sie überhaupt Arbeit haben!" – Diesen Satz vernahm ich in einem Radiobeitrag anlässlich des gestrigen Streiks der Gewerkschaft der Lokführer. Ungläubiges Staunen erfasste mich, sich mit Wut und Resignation abwechselnd. Letztlich musste ich dem Druck mit einem bösen Lachen nachgeben.

Zum Glück waren es anonyme Äußerungen aus der Voksseele. Der Grundtenor war in etwa der, dass Streik ja grundsätzlich in Ordnung sei, aber nur, wenn seine Folgen einen nicht selbst und persönlich betreffen. Wo kämen wir denn da hin? Ein Streik, der irgend welche Auswirkungen hat? Sollen doch dann streiken, wenn niemand mit dem Zug fahren will!

Soweit zur idiotischen Komponente dieser gesammelten Ergüsse.

Der Satz, denn ich an den Beginn gestellt habe, offenbart den Erfolg neoliberaler Propaganda: Sozial ist, was Arbeit schafft! Da rückt die Frage, zu welchen Bedingungen ich mein täglich Brot erwirtschafte, vollkommen in den Hintergrund. Er offenbart auch die völlige Kapitulation, die Aufgabe aller noch vorhandenen Rechte der abhängig Beschäftigten. Wenn ich froh bin, überhaupt noch eine Arbeit zu haben, dann werde ich alle Einschränkungen, Lohnsenkungen, Arbeitszeitverlängerungen, Urlaubskürzungen und Einsparungen bei Arbeitsschutzmaßnahmen zumindest öffentlich klaglos hinnehmen. Mit so einer Einstellung mache ich mich zum willenlosen Spielball der “Arbeitgeber”.

Der Endpunkt einer solchen Einstellung sind Null-Euro-Jobs; die Sklaven bekommen ihre Almosen vom Staat, der seinerseits mit schrumpfenden Einnahmen konfrontiert ist, weil die “Leistungsträger” immer weniger zu seiner Finanzierung beitragen müssen. Zerbrechende Infrastruktur, marode Schulgebäude und geschlossenen Bibliotheken und Schwimmbäder sind keine dunklen Schreckensbilder, sie sind bereits Realität. Null-Euro-Jobs demnächst auch. An die Stelle staatlicher Fürsorge tritt Mäzenatentum, das Volk huldigt dann dem edlen Spender. Willkommen im Mittelalter!

Mich erschreckt dieses Szenario nicht, sondern die bornierte Ignoranz gerade bei denen, die als erste davon getroffen werden. Es braucht so wenig, um sich tatsächlich mal abseits der allgemeinen Propaganda und Verdummungsmaschinerie mit brauchbaren Informationen zu versorgen. Doch ich bin auch noch nicht soweit, den betreffenden Meinungsinhabern galoppierende Blödheit zu unterstellen. Ich durfte nun seit fünfundzwanzig Jahren die Segnungen der “Freiheit” erfahren und konnte als Vater hautnah miterleben, wie ein mittelalterliches Bildungssystem statt allseitig gebildeter und aufgeklärter Menschen Lemminge produziert, die sich wie willenlos in die gewünschte Richtung dirigieren lassen. Da will ich meinen Landsleuten immer noch zu Gute halten, dass es nicht leicht ist, sich dieser schlechten Einflüsse zu entziehen.

Und wer wirklich an den Ursachen für den Streik der Lokführer interessiert ist, kann sich ja mal mit den bei ihnen vorherrschenden Arbeitsbedingungen befassen. Die Eingabe von “lokführer arbeitsbedingungen” in die Suchmaschine meines geringsten Misstrauens bringt interessante Ergebnisse, ein Großteil ist mit “Zugunglück…” überschrieben.

 Auf »toschkas_blog 2.0« erstveröffentlicht am 16. Oktober 2014, es gilt die
Creative-Commons-3-Lizenz bis auf Widerruf.

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