Montag, 27. August 2012

Armut ist nichts für Boulevard-Formate

von Annette Ludwig

Die Sommerpause ist beendet und die Medienwelt stürzt sich auf ein Thema, was gänzlichungeeignet ist zur Unterhaltung zu dienen. Jauch, Maischberger usw. bedienen ein Thema, wo eine Neiddebatte herbeigeredet werden soll.

Die armen Reichen

Die armen Reichen, sie arbeiten unermüdlich, plagen sich, sind real gar nicht reich (laut UnternehmerRossmann). Sie können eigentlich gar nicht mit Geld umgehen, so äußert sich bei Maischberger eine Frau, deren Namen mir zu merken nicht möglich war, so groß war die Zumutung ihrer Aussage. Es gibt ihrer Meinung nach keine Arbeitslosen, nur Arbeitsscheue. Dass der Begriff "arbeitsscheu" von Nazis geprägt wurde, kann man ihr gar nicht verübeln, das Bildungsniveau der Person hat keine sonderliche Reichweite.

Wenn Elend beliebig wird

Ich will im Einzelnen auf die Akteure_Innen nicht eingehen, sondern aufzeichnen, dass eine große Gefahr darin steckt, wenn das Thema Armut immer beliebiger wird und letztlich nur noch zur Unterhaltung dient.

Schon vor vielen Jahren gab es Sendungen, wenn nicht gar Kinofilme, in denen Armut und soziales Prekariat als Unterhaltung dienten. Die Familie Flodders hat da einiges hergegeben und ist es nicht schön, nicht ganz so abgedriftet zu sein wie die?

Privatsender kommerzialisieren Hartz IV für ihre Zwecke

Ich bin überzeugt davon, dass Privatsender wie RTL ein riesiges Interesse an Hartz IV haben. Ganze Nachmittage lassen sich mit Menschen in Armut gestalten. Hierbei interessiert mich wenig, ob das Elend in den Sendungen nun real ist oder durch Schauspieler_Innen dargestellt wird. Fakt ist, dasses einen Markt gibt für Menschen, die sich am Elend der Anderen unterhalten. Sicher oft mit dem Hintergrund, dass es klasse ist, wenn es Anderen eben noch schlechter geht als einem Selbst.

Der Schulhof ist die Arena der Kampfschimpfwörter


Von den meistverwendet Schimpfwörtern auf Schulhöfen trifft mich immer wieder der Begriff „Du Opfer" am meisten. Klarer kann man nicht ausdrücken, was man von jemanden hält, der eben Opfer in dieser Gesellschaft geworden ist. Oft auch gerne, als „Du Hartz-IV-Opfer“ verwendet.

Was ist geschehen?


Um die Agenda Gesetze breit in der Gesellschaft zu verankern, mussten Feindbilder her. Schnell warder Mallorca-Klaus gefunden, dieser lebte angeblich von Hartz IV in Saus und Braus in USA. Tagelang hatte der Mann die Titelseiten der BILD gefüllt. Da war ein Feindbild geboren, der Hartzer der richtig abzockt. Und mittags dann RTL, wo die Mutter sich sofort, wenn der Regelsatz auf das Konto kommt, zunächst einmal die Fingernägel modellieren lässt. Die Kinder bekommen natürlich Flips und Billiglimo zum Frühstück. Was auch sonst bei den Regelsätzen?

UMFAIRTEILEN setzt neue Maßstäbe


Durch die neue Qualität des Bündnisses UMFAIRTEILEN und dessen klare Forderung Reichtumvon oben nach unten zu verteilen, scheinen die Medien eine neue Kampfkampagne in Auftrag der Herrschenden umzusetzen.

Die Neiddebatte bekommt ihre Bühne


Die Begriffe "Enteignung", "wegnehmen", "stehlen" spielen in der Umfairteilungshetze eine große Rolle. Und sicher auch das Wort Neid. Und dahinter steht natürlich die moralische Keule. Haben wir denn nicht gelernt „Du sollst nicht neiden“? Dass die Kirchen das groß predigen, ist ganz logisch: Die Kirchen-Milliarden, die Kunst-Schätze und Bauwerke, wollen geschützt sein ...

Warum dürfen wir nicht neiden?


Wenn man sich die Frage erlaubt, warum die oder der so unglaublich reich sind, wo man doch selbst nun auch nicht gerade faul ist, so ist das meist in normaler Gesellschaft, die nicht politisch aktiv ist, schon schwierig.

Meist merkt man an der Stimmung, dass die anderen Teilnehmer sich das auch schon gefragt haben, aber eher dazu tendieren, das Thema nicht in Gesellschaft zu diskutieren. Spannender wird es, wenn man direkt angesprochen wird, ob man denn neidisch sei und dieses dann einmal ganz klar mit einem Ja beantwortet. Ich argumentiere oft, dass ich sehr wohl neidisch bin auf höhere Einkommen, insbesondere von jenen, die ihren Reichtum auf Kosten der Anderen erwirtschaften. Auf die dann immer gestellte Frage, wer das denn sei, antworte ich klar: alle!

Besitzstandswahrung


An der Stelle merkt man dann, dass ein wenig Angst einsetzt. So ist man doch gerade zu Gast in einer noch nicht abgezahlten Eigentumswohnung. Bekommt man diese nun auch nicht einmal mehr gegönnt? Und dann kommt immer, dass die LINKE. eben alles so will wie in der DDR. Einfacher geht es halt auch nicht. Jetzt ist die Angst schon tief und der Unwille mir gegenüber schon groß. Den Leistungsgedanken kann ich nicht ganz folgen und mir will mit meiner Argumentation, dass die Reinigungskraft eben auch viel leistet, auch keiner mehr folgen. Wenn es gut läuft, kommt dann meine alles offenbarende Frage, ob wir denn nicht gleich seien, die Reinigungskraft und wir?

Gleichheit

Erziehung, Kirchen und Politik in Verbindung mit deren Macht in den Medien, haben uns verlernen lassen, etwas Wunderbares zu verstehen. Wir sind tatsächlich gleich. Wir träumen an vielen Stellendie gleichen Träume, wir wünschen uns sicher viel mehr gemeinsam als wir glauben Frieden undsicher finden ganz viele von uns Faschismus grauenhaft. Sicher wollen wir alle Harmonie in unserem Umfeld, eigentlich nicht wirklich so viel Arbeiten und Stress können wir alle nicht ab.

Globalisierte Kinder


Aber schon, wenn wir den geeigneten Kindergartenplatz suchen, dann klickt es ganz hinten im Kopf. Fit machen müssen wir das Kind für die globale Welt. Für den miesen Arbeitsmarkt und für die Konzerne - Wettbewerb schon dort ist unglaublich. Soll es denn nun der Frei- der Wald- oder besser noch der zweisprachige Kindergarten sein. Der städtische Kindergarten ist schwierig, denn dakommen die Kleinen in Kontakt mit den Prekären. Sind auch als Menschen manche sogar nett, aber…

Ein Leben für Alle


Ja, ich bin da neidisch. Ich hätte gerne eine Erziehung für alle. Auch ein Gesundheitssystem für alle. Und ich will das sagen dürfen ohne die Plattheit, dass ich ja doch nur eine DDR für alle will.

Die Ursache von Armut ist immer der Kapitalismus

Die unwürdige Berichterstattung der Medien nimmt uns die Freiheit, Armut in ihrem Ganzen zuerkennen und zu verstehen. Die Ursache von Armut ist immer der Kapitalismus. Und nicht die Dummheit der Menschen. Die Armut in Deutschland hat ein Gesicht, das ist häufig weiblich und alleinerziehend und häufig alt oder kindlich. Die Schwächsten in unserer Gesellschaft zahlen den Preis für Kapitalismus und dessen Krisen, wobei vergessen wird, dass der Kapitalismus selbst die Krise ist. Und so zahlen Menschen in Griechenland heute den Preis dafür, dass Europa nicht in einer Schulden, sondern in einer Bankenkrise steckt.

Abschalten und sich organisieren.

Wir haben im Mai 2011 unsren TV-Apparat abgeschafft. Die Gewohnheit war zu stark, das Ding immer wieder einzuschalten; gerade, wenn man müde und ausgepowert war, da war die Berieslung immer ein feiner Ablenker. Nun aber werden Nachrichten selektiv gehört, auf dem Rechner tatsächlich interessante Berichte geschaut oder online gelesen. Geredet wird mehr, länger und lebendiger. Und oft mit mehr Freund_Innen gemeinsam. Was aber jetzt kein Appell sein soll.

Ja zum Neid auf Reichtum

Wir als Gesellschaft dürfen sagen, dass wir neidisch sind. Immerhin werden Banken unter einem Rettungsschirm gestellt, den wir finanzieren. Unser eventuelle Not wird jedoch zum Beispiel bei Arbeitsplatzverlust abgetan. Da herrschen plötzlich die Gesetze des Marktes, bei Banken dann die Gesetze des Sozialismus.

Ein Leben in Würde und mit Lust am und im Leben einzufordern, hat allerdings nichts mit Neid zutun. Nur mit unserem Recht darauf!

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