Samstag, 3. April 2010

Bausparverträge in der Wirtschaftskrise

Bei den Nachdenkseiten las ich vor kurzem, daß die Immobilienkrise die US-Mittelschicht erreicht. Diese Nachricht hat mich dazu bewegt, einen recht alten Textentwurf zu überarbeiten und Ihnen jetzt endlich zu präsentieren. Es geht um "Bausparverträge".

Bevor ich mich dem eigentlichen Thema widme, erlaube ich mir auf einige wichtige allgemeine Punkte hinzuweisen, die in einem sogenannten Beratungsgespräch - besser: Verkaufsgespräch - untergehen können: Beim Bausparen fallen vielfach nicht niedrige Gebühren an. Das wissen Sie. Der schön niedrige effektive Zinssatz des Bauspardarlehens ist aber nicht der effektive Zinssatz der vollständigen Baufinanzierung, die sich aus Anspar- und Darlehensphase zusammensetzt: Der vollständigen Baufinanzierung entspricht nämlich ein anderer, höherer effektiver Zinssatz. Dieser ist der entscheidende Zinssatz.  Sollten Sie meinen, die Option, das Bauspardarlehen frühzeitig zurückzahlen zu dürfen, sei ein finanzieller Vorteil, den die Bausparkasse Ihnen gewährt, täuschen Sie sich. Sie haben sich das niedrige Darlehen und die Laufzeit (!) erkauft: Je kürzer die Phase des Darlehens durch vorzeitige Rückzahlung, desto besser - für die Bausparkasse. Das nur zur allgemeinen Information.

Fangen wir harmlos an, gehen wir vom häufig von Verkäuferseite zu hörendem Verkaufsargument aus, gerade in Zeiten niedriger Zinsen wie jetzt (!) lohne sich der Neuabschluß von Bausparverträgen besonders. Schließlich sichere man sich für Hochzinsphasen ein preiswertes Darlehen. Da möchte man meinen: "April, April". Vorgestern war schließlich der erste April. Aber warum erster April? Und worin besteht der Aprilscherz? Nun, wenn die Marktzinsen niedrig sind und die Darlehenszinsen für Immobiliendarlehen urplötzlich (!) vor dem Zeitpunkt, an dem Sie das Bauspardarlehn in Anspruch nehmen wollen, in die Höhe schießen und die Immobilenpreise die ganze Zeit über konstant geblieben sind, dann hat der Verkäufer, der sich Ihnen gern als Finanzberater verkauft, sicherlich recht. Doch dieser Fall ist rein fiktiv. Immobilienzinsen steigen nicht einfach so spontan und isoliert um mehrere Prozent. Größere Änderungen des Zinsniveaus korrespondieren hier stets mit Änderungen in der Wirtschaft. Zum Beispiel wird ein dauerhafter, erheblicher Anstieg der Zinsen für Immobiliendarlehn mit einem  dauerhaften, erheblichen allgemeinen Zinsanstieg einhergehen. Anders ausgedrückt, steigen die Darlehenszinsen bedeutsam an, kann man von einem bedeutsamen Anstieg der Inflation ausgehen. Für Sie als Immobilienkäufer bedeutet dies, hohe Zinsen bedeuten hohe Inflation. Die hohe Inflation wiederum führt zu einem erheblich höheren Kaufpreis, den man für die zu erwerbende Immobilie hinblättern muß. Zum Kaufzeitpunkt kann es dann passieren, daß man den Kaufpreis nicht finanzieren kann und die Ansparphase verlängern muß. Selbstverständlich wäre dann außerdem der Bausparvertrag anzupassen und zu erhöhen. Wenn die Inflation weiter steigt, dürften Sie zu einem noch späteren Zeitpunkt die Ansparphase verlängern und ihren Vertrag nochmals erhöhen müssen. Es gibt Meinungen, die angesichts der gewaltigen Staatsverschuldung eine Hyperinflation erwarten. In diesem Fall ist Ihr Bausparvertrag für die Tonne, garantiert.

Sie könnten einwenden, der Bausparvertrag diene zur Zinssicherung einer bestehenden Immobilienfinanzierung, sozusagen als eine Art Zinsversicherung. Hier sollten Sie sich fragen, ob es wirklich sein muß, einen immer größeren Abstand der Marktzinsen zu den niedrigen, immer pobelieger erscheinenden Zinsen für das im Bausparvertrag ersparte Vermögen hinzunehmen. Wenn schon auf höhere Zinsen spekuliert wird (das tun Sie hier nämlich), wie wäre es denn damit, den eigenen Ansparplan wirklich auf steigende Zinsen auszurichten und bei genügender Ansparsumme aufgrund höherer Zinsen und Zinseszinsen das bestehende Darlehen vollständig abzubezahlen, statt durch ein Bauspardarlehn abzulösen?

Meiner persönlichen Überzeugung nach sind die Gefahren einer dauerhaft deflationären Entwicklung keineswegs von der Hand zu weisen (man vgl. bitte hier). Darlehensausfälle und niedrigere Objektwerte können zusammen einer Bausparkasse den Garaus machen. Bausparkassen können Pleite gehen, schon gewußt? Erinnern Sie sich noch an die US-Bausparkassenkrise (sogenannte savings and loan crisis, Verfall der US-Immobilienpreise) mit dem Tod vieler US-Bausparkassen der Jahre 1989 und 1990? Wußten Sie, daß die 2008 Pleite gegangene Washington Mutual eine Pleite gegangene Bausparkasse war (vgl. Egghats Text) - und zwar die Größte in den USA? Noch recht aktuell ist die Nachricht, Irland rette gerade zwei irische Bausparkassen, die Irish Nationwide und die EBS (In Irland gibt es nur zwei - oder drei (?) - Bausparkassen).

In Deutschland ist die Quelle Bausparkasse in eine Schieflage geraten, schreibt das Handelsblatt. Man kann denken, was man will über die Arcandor-Pleite. Eine schwächelnde Bausparkasse gelangte bislang stets unter das Dach einer Stärkeren. Als Regel scheint dieser Satz langsam aber nicht mehr gelten zu können; denn wenn Alle schwächeln, wer soll dann noch retten?

Wenn Sie den vorausgegangenen Absatz kritisch gelesen haben, werden Sie sich sicherlich die Frage der Einlagensicherung deutscher Bausparkassen stellen. Es gibt mehrere Systeme (gute Übersicht hier). Die privaten Bausparkassen haben einen gemeinsamen Fonds. Hier gilt sinngemäß das Gleiche wie für die Einlagensicherung deutscher Geschäftsbanken. Für wenige, vergleichsweise kleine Bausparkassenpleiten mag so ein Fonds ausreichen. Ansonsten muß wie in Irland der Staat (Steuerzahler) ran. Die Landesbausparkassen gehören dem Sparkassen- und Giroverband und damit dessen Sicherungssystem an. Die Bausparkasse der Raffeisen- und Volksbanken, die Bausparkasse Schwäbisch-Hall, wird durch den Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken abgesichert. Den kollektiven Sicherungssystemen ist gemein, daß systemische Risiken nicht abgedeckt werden können. Letzter Garant ist und bleibt der Staat.

Bausparkassen gehören häufig Bank- oder Versicherungskonzernen an. Sie sind voll in den Prozeß der Kapitalakkumulation integriert und den Gefahren ausgesetzt, die der Kapitalismus mit sich bringt. Warum sollten die kleinen Vermögen, die zu bilden oder zu mehren ein quasi-Kleinkapitalist bestrebt ist, durch den Staat geschützt sein? Eine staatliche Garantie auf verzinsliche Kapitalanlagen ist gegenüber der nicht-vermögenden breiten Masse höchst unsolidarisch-unfair. Wenn man boshaft wäre, könnte man außerdem geneigt sein zu formulieren, daß hier die staatlichen Garantieleistungen via überbordender Staatsverschuldung unser kapitalistisches Wirtschaftssystem - gemeinhin als soziale Marktwirtschaft verbrämt - immer mehr destabilisieren.

Abschließen möchte ich diesen langen Text mit einem Hinweis auf einen früheren Weblog-Eintrag, welcher sich mit den möglichen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf Lebensversicherungen befasst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Schreiben Sie, Ihre Meinung und Ihre Gedanken sind wichtig. Also los...




Feedburner-Abo:

Google-Suchhilfen








Google























Hinweis: Sie können auch die Volltextsuche des Weblogs über der Weblogüberschrift - also ganz oben im eigentlichen Weblog auf der linken Seite - nutzen (Tastenkombination Strg-Bildaufwärts: Sprung an den Anfang des Weblogs).