Die Imker in Deutschland mussten in diesem Winter Rekordverluste hinnehmen. Mehr als 30 % der deutschen Bienenvölker können in diesem Frühjahr kein Obst bestäuben. In einigen Gebieten sind mehr als 60 % der Bienenvölker eingegangen. Die betroffenen Bienenzüchter können den Abwärtstrend nicht mehr aufhalten.
Vor einem Jahrzehnt hielten die Imker in Deutschland etwa 1 Million Bienenvölker. Jetzt sind es noch 400.000 – 500.000 und das, obwohl sich inzwischen immer mehr Menschen für die Imkerei interessieren.
Auch vor zehn Jahren hatten Bienenhalter Schwierigkeiten mit diversen Insektengiften. Wenn Bienenschäden festgestellt wurden, konnte dies jedoch meist auf die Anwendung bienengefährlicher Mittel zurückgeführt werden. Seit der Einführung der systemischen Pestizide in der Landwirtschaft vor 10 Jahren ist die Zahl der gehaltenen Bienenvölker um mehr als die Hälfte geschrumpft. Die alljährlichen Rückgänge legen die Vermutung nahe, dass es bereits in wenigen Jahren nur noch sehr wenige Bienenvölker in Deutschland geben wird.
Eine Untersuchung des Bienenbrotes verdeutlicht die Problematik unserer Immen. Im Nahrungsdepot der Bienenvölker finden sich mittlerweile mehr als 50 chemische Substanzen, die größtenteils aus der Landwirtschaft stammen und im Honig, streng genommen, gar nichts zu suchen haben. Einige dieser Substanzen stehen seit mehreren Jahren im Verdacht, für das weltweite grassierende Bienenvolksterben verantwortlich zu sein.
Insbesondere die Neonicotinoide Clothianidin und Imidachloprid der Firma Bayer AG, verursachen seit deren Zulassung als Insektizide in Europa erhebliche Verluste bei den Imkern.
Durch das bereits in kleinsten Dosen wirkende Insektengift Clothianidin, wurden im Frühjahr 2008 nachweislich 12.500 Bienenvölker getötet. Daraufhin wurde die Zulassung dieses Wirkstoffes für die Behandlung von Maissaatgut zurückgenommen. Eine Besserung der für Bienenzüchter katastrophalen Lage konnte hingegen nicht erreicht werden. Der Wirkstoff Clothianidin baut sich erst drei Jahre nach der ersten Anwendung zur Hälfte ab. Wird eine Folgekultur ebenfalls mit diesem Insektengift behandelt, reichert sich Clothianidin weiter im Boden an und findet sich danach in jeder dort wachsenden Pflanze und in jedem Pflanzenteil wieder.
So wurden auch im Jahr 2009 unter anderem Raps und Rübenpflanzen mit Clothianidin behandelt, obwohl bei einer Behandlung von Raps eine erhebliche Kontamination des Nektars und Pollens zu erwarten war. Die Folge dieser rücksichtslosen Agrarpolitik lässt die Bienenvolkzahlen schneller schrumpfen, als es den Imkern möglich ist, dies auszugleichen.
Per Sondergenehmigung hat das Bundesverbraucherschutzministerium BMVEL in diesem Jahr dem Bayergift wieder die Zulassung für den Maisanbau erteilt. Nun soll das Mittel nicht als Saatgutbeize zum Einsatz kommen, sondern als Granulat in den Boden injiziert werden. Sobald sich das Gift im Boden verteilt hat, nimmt es jede Pflanze, die dort wächst, wieder in sich auf und wird in allen Pflanzenteilen für Bienen und Nutzinsekten zur Giftpflanze.
Die zuständigen Landwirtschaftsminister begründen die Zulassung damit, dass lediglich die falsche Aussaattechnik für das größte Bienenvolksterben der deutschen Geschichte 2008 verantwortlich gewesen sei, obwohl italienische und französische Wissenschaftler eindeutig die Bienenvolkschädlichkeit von Clothianidin nachgewiesen haben, weswegen das Mittel in Frankreich und Italien verboten ist.
In Deutschland hingegen vertrauen die Landwirtschaftsminister gänzlich den Aussagen der Firma Bayer AG, die das Insektengift als für Bienen unschädlich bezeichnet und riskieren damit ein landesweites Aussterben des drittwichtigsten Haustieres. Die Auswirkungen dieser Industrietreue wird der Bürger später teuer bezahlen. Alleine der Ausfall der Bestäubungsleistung unserer Honigbienen würde die Allgemeinheit jährlich Milliarden Euro kosten. Obst und Fruchtgemüse würde in Zukunft nur wenig oder keinen Ertrag mehr bringen. Viele Blütenpflanzen und Wildblumenarten sind ohne Bienen vom Aussterben bedroht.
Der Umweltbund fordert daher von der Bundesregierung das sofortige Verbot des Pflanzenschutzmittels Santana mit dem Wirkstoff Clothianidin, um einen weiteren Rückgang der Bienenvolkpopulation zu vermeiden.
Da das Mittel noch Jahre im Boden verbleibt, ehe es größtenteils abgebaut ist, würde auch nach einem vollständigem Verzicht dieses Insektenkillers für alle landwirtschaftlichen Kulturen, die bienenschädliche Wirkung noch mehrere Jahre anhalten.
Aus Sicht der Imkervertreter des Umweltbundes ist es daher bereits 5 nach 12. Ohne rechtliche und finanzielle Unterstützung der Europäischen Union werden die Imker diesen Abwärtstrend im Insektenreich nicht mehr aufhalten können.
Um den Bienen in Europa noch ein Chance zu geben, fordert der Umweltbund e.V. alle systemisch wirkenden Pestizide sofort zu verbieten.
Es darf nicht weiter hingenommen werden, dass ein Pflanzenschutzmittel sowohl den Boden als auch die ganze Pflanze vergiftet. Wollen die Landwirte Ihre Kulturen schützen, müssen der Nektar und der Blütenpollen in Zukunft wieder giftfrei bleiben, sonst wird eines der nützlichsten Haustiere der Menschen bald ausgestorben sein.
Manfred Gerber
Mitglied des Umweltbund e.V.
Weitere Informationen:
- Online-Aktion zur Rücknahme der Sondergenehmigung für das Pflanzenschutzmittel "Santana"
- D.I.B. warnt vor Wiederzulassung von Clothianidin
- Neonicotinoide / Systemische Insektizide und ihre Auswirkungen auf die Insektenwelt: eine Übersicht im Kontext des Honigbienensterbens im Jahr 2008 in Deutschland (PDF-Datei 719 KB)
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