Bevor ich Ihnen diesen Brief, der übrigens von einem einfachen Parteimitglied stammt, präsentiere, möchte ich Ihnen ganz kurz, quasi auf die Schnelle, mit Ihnen gemeinsam eine wichtige Frage beantworten. Es ist die Frage: "Wie können sich einfache Parteimitglieder einer deutschen Partei bei der Parteispitze Gehör verschaffen?" Antwort frei nach Radio Eriwan: "Gar net"; oder Sie kennen ein Parteimitglied persönlich, das Ihnen aus irgendeinem (?) Grunde zuhört - Oder zuhöhren muß, weil der jeweiligen Partei sonst droht, Parteispenden zu verlieren. Ich denke hier an den CDU-CSU-FDP-Komplex und an die SPD. Gut, wenn Sie also so gut wie keine Chance haben, müssen Sie andere Wege beschreiten. Das Internet macht es möglich: Offener Brief an das jeweilige Parteiorgan und die Publikation des Briefes in ein paar Weblogs. So haben Sie sich einen besseren Aufmerksamkeitskoeffizienten geschaffen. Und wenn Ihnen dann mit einem Fingerzeig auf die innere Diskussionskultur, die Ihnen offen steht (wo?), geantwortet wird, seien Sie froh; man hat Ihren Text gelesen und signalisiert Ihnen, daß man genervt ist. Aber das Nerven und Gelesen werden wollen war schließlich Ihre Absicht. Es ist traurig aber wahr; wenn man nicht etwas nervt, bekommt man auch nicht die gewollte Aufmerksamkeit.
Nun der Text des Briefes (datiert auf den 23. Januar 2010), der sowohl der Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE als auch dem Bundesvorstand der gleichen Partei vermutlich erst morgen zugehen wird:
[...
Parteivorstand (geschäftsführend) der Partei DIE LINKE
Karl-Liebknecht-Haus
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin
Offener Brief: Sabotage des Landesverbandes DIE LINKE. Nordrhein-Westfalen
Lieber Parteivorstand,
Ihren Aufruf „Rückkehr zur Sacharbeit“ (Aufruf des geschäftsführenden Parteivorstandes vom 18. Jan. 2010) nehme ich erfreut zur Kenntnis und möchte hierzu ein klein wenig beitragen und erlaube mir, Ihnen eine kleine, konstruktive Frage zu stellen:
Wie kommt es, dass der Bundesparteitag dieses Jahr nur eine Woche hinter der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen terminiert wurde? Die Landtagswahl findet am 9. Mai 2010 und der Bundesparteitag am 15. bis 16. Mai 2010 statt.
Diese Terminierung des Bundesparteitages ist von großem Übel. Zwei Sachverhalte zeigen dies deutlich:
Erstens geben Sie den zurzeit wahlkämpfenden Genossen nur sehr wenig Zeit, sich auf den Parteitag vorzubereiten: Wirklich nicht alle Genossen haben einen Posten, der ihnen eine Siebentagewochen-Parteiarbeit erlaubt, vorsichtig formuliert. Und die von dem Parteitagstermin verursachte Doppelbelastung hat etwas schizophrenes an sich; konzentriert man sich in Nordrhein-Westfalen (kurz: NRW) nun mehr auf den Wahlkampf oder mehr auf die Vorbereitungen zum Bundesparteitag? Solch eine terminliche Schieflage bindet überflüssigerweise Energie und benachteiligt unsere Genossen in NRW, die am Bundesparteitag teilnehmen möchten. Handelt man als Parteiführung undemokratisch, dann ist das natürlich einem egal. Oder, betrachtet man die NRW-Genossen gar als potenzielle Störenfriede auf dem Bundesparteitag?
Wer im Wahlkampf an der Fünf-Prozent-Hürde herumeiert, wird sich auf den Wahlkampf konzentrieren müssen, um die Fünf-Prozent-Hürde im Ergebnis auch wirklich zu packen!
Der nun folgende zweite Punkt ist mindestens genauso schwergewichtig. Wir alle - na ja, Sie vielleicht nicht – wollen, daß die Genossen in Nordrhein-Westfalen erfolgreich sind und die Fünf-Prozent-Hürde überspringen! Wir alle wissen um den Einfluß der Medienindustrie, die stets dem politischenGegner zuarbeitet und von der Harmoniebedürftigkeit des deutschen Michel. Ich möchte damit zum Ausdruck bringen, dass – bei aller Geschlossenheit – bei einem Bundesparteitag diskutiert und debattiert wird. Und das ist Futter für die gegnerische Medienwelt. Otto Normalverbraucher bekommt dann z. B. auch im Fernsehen unsere lebendige Partei , ich formuliere dies nicht überspitzt, als zerstrittenen Chaotenhaufen serviert. Das kostet unseren lieben Genossen in Nordrhein-Westfalen mit Sicherheit Wählerstimmen, bloß weil irgendein Parteihierarchiedepp oder gegnerisches U-Boot den Parteitagstermin so dicht hinter den Wahltermin gelegt hat. Diese Terminwahl kann im Extremfall sogar den Einzug in den Landtag kosten...
...Daß dieser Hinweis gar nicht so abwegig ist, zeigt die aktuelle Forsa-Umfrage: Ich zitiere Welt-online:„Die Partei Die Linke könnte der Umfrage zufolge mit fünf Prozent erstmals in den Landtag einziehen.“Die Betonung liegt auf „könnte“ und auf -nur (!) - „fünf Prozent“. Daß bedeutet, die genannten Sachverhalte könnten den Nichteinzug verursachen, zusammengenommen quasi als berühmtes Zünglein auf der Waage.
Internet-Link zur Quelle des Zitats:
http://www.welt.de/politik/deutschland/article5909271/CDU-und-FDP-liegen-knapp-vor-demlinken-Lager.html
Sie dürfen davon ausgehen, dass der politische Gegner schon jetzt beginnt, diese Schwachstelle auszunutzen - Beleg gefällig? Googeln Sie bitte den Ausdruck „Bundesparteitag DIE LINKE 2010“, so findet man derzeit unter den Google-Anzeigen an besserer Stelle eine Textanzeige der uns feindlich gesonnenen Welt (welt.online am 23. Jan. 2010):Die Linke Bundesparteitag:Der zugehörige Internet-Link ist: http://www.welt.de/themen/linkspartei/?src=epro&gclid=COQkf7Eup8CFQRgZwodMB2p0w
Umfassende Die LINKE News -
Immer informiert mit WELT.de!
www.WELT.de/Die+LINKE
Bitte ändern Sie den Termin des Bundesparteitags schleunigst ab, Zeitabstand zur Landtagswahl mindestens sechs Wochen. Das sind Sie unseren Genossen in Nordrhein-Westfalen einfach schuldig.
Man könnte polemisch überspitzt fragen: „Wann fangen Sie an, die eigene Partei zu stärken?“
Ich kenne Ihre Entscheidungsstruktur nicht. Deshalb lesen Sie hier keine Namen. Dennoch, der oder diejenige, die - aus Gesamtparteisicht - solche verräterischen und/oder Fremdinteressen-geleiteten (?) Entscheidungen trifft, muß die Verantwortung übernehmen und sofort zurücktreten.
Mit den NRWlern wohlgesonnenen und solidarischen,
Ihnen gegenüber kritischen Grüßen
...]
- [Download-Link wurde entfernt (28. Januar 2010, 17:09 Uhr), siehe Nachtrag]
- Solidarität - quo vadis? -
[Nachtrag, 28. Januar 2010, 15.55 Uhr: Es wurde darauf verwiesen, daß Sachzwänge wie das formalrechtliche Einhalten der Zweijahresfrist oder Erschwernisse bei der Hallenauswahl keinen alternativen und späteren Termin nach der Landtagswahl übrig ließen. Insoweit ist die obige harsche Kritik als etwas überzogen zu relativieren.]
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